Montag, 12. November 2007

Giù La Testa (DVD) | 8. November 2007

I — 1971 | Regie: Sergio Leone (...)

Giù La Testa Poster (F)


The revolution
is not a social dinner, a literary event,
a drawing or an embroidery;
it cannot be done with
elegance and courtesy.

The revolution
is an act of violence ...

Mao Tse-Tung





Obiges (nicht vollständiges) Zitat, das noch vor der Titelsequenz eingeblendet wird, zeigt gleich zu Beginn wohin die Reise geht in Leones fünftem (sagen wir mal bekannteren) Spielfim. Giù La Testa ist seine Antwort auf das beliebte Subgenre des sich in der Regel in & "an" Mexiko abspielenden Revolutionswesterns "all'Italiana" [s.a. Sollima-Western]. Durch die klare Aussage stößt diese allerdings bei den linken Kritikern auch im Rahmen einer europäischen Revolutionstradition und der studentischen Unruhen von '68 auf wenig Gegenliebe — der Name ist Programm, denn der Filmtitel bedeutet sinngemäß: Zieh' den Kopf ein und misch' Dich nicht ein. Leone, an sich ein unpolitischer Mensch, entmystifiziert den (auch und vor allem cineastischen) Revolutionsbegriff und lässt nach rund 75 Minuten einen seiner beiden Hauptcharaktere die ernüchternde Quintessenz simpel, aber prägnant vortragen: Die unterdrückte, revoltierende Klasse zieht ohnehin meist den Kürzeren und/oder beißt ins Gras, während auf der anderen Seite nur einige Wenige profitieren, bevor das Spiel von Neuem beginnt ...

John & Juan"My country is me and my family. (...) So please don't tell me about the revolutions."

Den politischen Kontext und (m)eine Meinung dazu jetzt mal völlig außer Acht gelassen: Giù La Testa ist der bis zu diesem Punkt reifste Leone-Film. Dass die Zeit der von 1964-'66 entstandenen, eher beschwingt unterhaltenden "Dollar-Trilogie" (Per Un Pugno Di Dollari | Per Qualche Dollaro In Più | Il Buono, Il Brutto, Il Cattivo) vorbei war, wurde mehr oder weniger schon nach der nicht minder grandiosen Westernoper C'era Una Volta Il West (1968) klar, die den Auftakt der epischen (später so genannten) "Amerika-Trilogie" markierte. Obwohl Leone zunächst nur produzieren wollte, bildet der hier besprochene Film darin eine m.M.n. wunderbare Brücke zum erst 13 Jahre später verwirklichten Abschluss (und großen Wunschprojekt Leones) Once Upon A Time In America. Es mag oftmals schwerfallen, einen einzigen Favoriten zu benennen, aber für mich ist Giù La Testa (trotz zwei etwas 'sprunghafter' Stellen) nicht nur der beste Film des Regisseurs, sondern auch mein bis dato definitiver Lieblingsfilm ...

Sergio LeoneLeone zeichnet vor dem bereits erwähnten, allgegenwärtigen Hintergrund der mexikanischen Revolution des Jahres 1913 wie gewohnt ein im wahrsten Sinne des Wortes bombastisches Abenteuer mit atemberaubender Kulisse & Kameraarbeit (landschaftlich wird sich erneut der andalusischen Gegend um Almería bedient) — hinzu kommen hier aber keine vergleichsweise starren, archetypischen Protagonisten wie z.B. der 'Mann ohne Namen' der "Dollar-Trilogie", sondern mit dem Iren John H. Mallory und dem proletarischen Mexikaner Juan Miranda zwei Hauptcharaktere mit Vergangenheit, deren Begegnung zu einer jeweiligen Persönlichkeitsentwicklung und schließlich Freundschaft führt; ich muss wohl auch zugeben, dass ich eine Schwäche für 'Buddy Movies' habe. Es gibt eine Vielzahl melancholischer, fast schon poetischer Momente, die dem Film eine wunderbare und zuweilen dunkle Atmosphäre verleihen, die sich einem vielleicht nicht gleich bei der ersten Sichtung erschließt, dafür aber umso länger nachwirkt.
Der Autor der Leone-Pflichtlektüre "Sergio Leone: Something To Do With Death" (und Rektor des Royal College of Art in London) Sir Christopher Frayling sagt in dem höchst empfehlenswerten Audiokommentar zum Film: "[Sergio Leone is] one of the greatest storytellers that the movies have ever produced.". Dem möchte ich zwar nicht widersprechen, aber von dem dafür mitverantwortlichen Ensemble sollte bzw. muss an dieser Stelle nicht nur Drehbuchautor Sergio Donati (neben Luciano Vincenzoni) erwähnt werden, sondern auch die beiden von der amerikanischen Verleihfirma geforderten "großen Namen" James Coburn & Rod Steiger. In der ursprünglich von Donati Eli "Tuco" Wallach auf den Leib geschriebenen Rolle des impulsiven und einfachen, mexikanischen Banditen Juan Miranda liefert Steiger eine m.M.n. unglaubliche Leistung ab; Coburn ist kaum weniger charismatisch, wenn ihn die Geister und Erinnerungen seiner Vergangenheit einholen und er im Verlaufe des Films zunehmend den Glauben an seine Ideale verliert.

Auf den Seiten der IMDb schreibt ein Nutzer: "Probably the best unknown movie ever made." und: "Here is a tragedy — a great film doomed by a terrible title." Dass das erste Zitat eine gewisse Gültigkeit besitzt, ist in Teilen wohl dem Hickhack um den Filmtitel geschuldet. In einer Art Übersetzung des italienischen Originals zunächst als Duck, You Sucker in den englischsprachigen Ländern (mit dem ausdrücklichen Wunsch Leones selbst) veröffentlicht, wurde der Titel nach schwacher Resonanz in A Fistful Of Dynamite geändert, um an alte Erfolge anzuknüpfen. Dass damit letztlich völlig falsche Assoziationen beim Publikum geweckt wurden, liegt bei diesem ernsteren Leone-Streifen leider auf der Hand. Der (anscheinend) ursprüngliche Drehbuchtitel wurde einzig von den Franzosen übernommen (s. Poster oben), unterstreicht den Terminus "Amerika-Trilogie" und passt sowieso eindeutig am besten: Es war einmal ... die Revolution [der deutsche Titel lautet übrigens Todesmelodie].
Abschließend noch eine im umfangreichen & hochinteressanten Bonusmaterial der DVD zum Besten gegebene Anekdote: Sergio Donati beklagt darin eine Art "David-Lean-Komplex" bei Leone und seinen Hang zu immer aufwändigeren Filmen — wenn ich mir u.a. Giù La Testa so ansehe, mache ich ihm dafür nicht mal ansatzweise einen Vorwurf ...!

Giù La Testa OSTLast but not least: In den diversen, obigen Aufzählungen fehlt natürlich noch ein Name, dessen Beitrag nicht im Geringsten zu unterschätzen ist: Ennio Morricone. Seine Musik trägt zu keinem unwesentlichen Teil zu meiner überschwänglichen Meinung über den Film bei. Dieser Soundtrack zählt nach wie vor mit zu den schönsten Hörerlebnissen, die ich persönlich bisher hatte — eine geniale Melange aus Melancholie & Verspieltheit, die für mich mehr ist als reine, filmische Begleitmusik. "Invenzione Per John" ist nicht ohne Grund in der Boxbar. gelandet ...

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