Sonntag, 19. August 2007

Corri Uomo Corri (DVD) | 17. August 2007

F·I — 1968 | Regie: Sergio Sollima (...)

Corri Uomo Corri Poster (I)Mexiko gegen Ende des 19. Jahrhunderts: Der beliebte Präsident & Reformer Benito Juárez ist tot, sein Nach-Nachfolger General Díaz herrscht mit harter Hand, die ärmliche Landbevölkerung hat nichts zu lachen. Der kleine & gutherzige Gauner Cuchillo Sanchez kehrt in diesen unruhigen Zeiten in sein Heimatdorf zurück und landet prompt im Gefängnis. Sein Zellengenosse Ramirez, ein wichtiger Revoluzzer, bittet ihn, ihm zur Flucht zu verhelfen, bei der Ramirez schließlich stirbt. Vorher kann er Cuchillo aber noch den entscheidenden Hinweis zum Verbleib des Goldes geben, das Juárez noch vor seinem Tode nach Texas hat schaffen lassen. Doch Cuchillo ist bei Weitem nicht der Einzige, der davon weiß und hinter dem Gold her ist, so dass die Devise nur lauten kann:
Run, Man, Run!

Lauf um dein Leben (der deutsche Titel) ist der dritte & letzte der Sollima-Western "all'Italiana". Er lässt erneut den bereits aus La Resa Dei Conti bekannten und von Tomas Milian verkörperten Charakter Cuchillo einreiten, der diesmal den Spitznamen "Die Stechmücke" trägt und wieder mit anderer Stimme synchronisiert wird (aus welchen Gründen auch immer). Der Film ist im Vergleich zu seinen beiden Vorgängern eher "leichtere Kost", ein komödiantisches & unterhaltend-abwechslungsreiches Western-Abenteuer, was neben Cuchillo vor allem an den beiden Frauenrollen (Chelo Alonso & Linda Veras ... nicht nur äußerlich eine Augenweide!)Gif um dein Leben und den teilweise skurrilen Szenen & Ideen liegt (Stichwort: Windmühle u.v.m.!). Trotzdem lässt auch Corri Uomo Corri Sollimas Blick für Hintergründiges nicht vermissen — das in Revolutionswirren verstrickte Mexiko wird als Tummelplatz verschiedenster Gruppen & Gestalten dargestellt: ob Soldaten, Revoluzzer, Banditen, Kopfgeldjäger oder (französische) Söldner ... die einfache Bevölkerung zieht meist den Kürzeren. Grandiose Landschaften, Schauplätze & Sets sowie eine hervorragende Kameraarbeit machen auch diesen Film visuell wieder zu einem Genuss; die Eröffnungssequenz (in Sachen "Spaghettiwestern" ja fast schon ein völlig eigenes Kapitel) ist an dieser Stelle mal erwähnenswert — Eugenio Lardani, der bereits für selbige bei Leones Il Buono, Il Brutto, Il Cattivo verantwortlich zeichnete, hat hier ganze Arbeit geleistet — einfach klasse! Vertont wurde diesmal übrigens von Morricones musikalischem Ziehsohn Bruno Nicolai; der Titelsong wird von Milian persönlich intoniert ...
Auch wenn er alles in allem vielleicht ein wenig zu lang geraten sein mag, ist Corri Uomo Corri der m.M.n. perfekte Abschluss der Sollima-Western, da alle Filme in ihrer jeweils eigenständigen Art einen großartigen Querschnitt der Talente des Regisseurs abbilden.

Schicht im Schacht — ein Riesenkompliment noch an das österreichische DVD-Label Koch Media, das mit diesem Box-Set [Klick] aus den drei zuletzt rezensierten, ungeschnittenen & restaurierten Streifen eine absolute Genre-Perle veröffentlicht hat, die (fast) keine Wünsche offen lässt ... Chapeau!

Dienstag, 14. August 2007

Faccia A Faccia (DVD) | 11. August 2007

E·I — 1967 | Regie: Sergio Sollima (...)

Eröffnungstitel

Faccia A Faccia Poster (D)Halleluja — der Teufel hat Euch geritten!
Der deutsche Video- bzw. Wiederaufführungstitel zeigt deutlich, mit welchen Klischees der "Spaghettiwestern" aufgrund (zu) vieler (unter-)durchschnittlicher Produktionen zu kämpfen hat(te). Die Haltung, dieser Filmgattung peinlich-billige Titel zu verpassen, die (ob gewollt bzw. berechtigt oder nicht) minderwertige Ware suggerieren, wird auf dieser wunderbaren Seite herrlich persifliert, könnte allerdings im Falle des hier besprochenen Films kaum mehr fehl am Platz sein ...
Sollimas zweiter Western besitzt alles was das Genreherz begehrt (ja, auch Ennio Morricone ist erneut genussvoll zu vernehmen!), dürfte aber gleichzeitig auch zu den außergewöhnlichsten Vertretern zählen. Wie der Originaltitel andeutet, konzentriert sich der Film in hohem Maße auf die beiden Hauptcharaktere und deren wechselseitige Beziehung & Entwicklung — wohl ein Grund, warum der Regisseur Faccia A Faccia als einen seiner wichtigsten Filme bezeichnet.
Der zurückhaltende & gutbürgerliche Geschichtsprofessor Brad Fletcher (Gian Maria Volontè), der aus gesundheitlichen Gründen ins für ihn klimatisch vorteilhaftere Texas zieht, trifft darin unfreilwillig auf den berüchtigten Banditen Solomon 'Beauregard' Bennet (Tomas Milian). Sind zu Beginn beide aufgrund der äußeren Umstände aufeinander angewiesen, entwickelt sich im Verlaufe der Zeit ein gegenseitiges Interesse an den Einstellungen & Ansichten des jeweils anderen, das mehr & mehr auch das Handeln beeinflusst — mit dramatischen Folgen ...

Der Erfolg von La Resa Dei Conti verschaffte Sollima volle Freiheit bei seinem zweiten Film, der noch deutlicher charakterbasierte und gesellschaftskritische Züge trägt als sein Vorgänger. Das zusammen mit Leone-Kollaborateur Sergio Donati verfasste Drehbuch lässt kaum Wünsche offen und macht vor allem die Wandlung Fletchers vom minderwertigkeitszerfressenen Pazifisten zum machtbesessenen Bandenführer anhand z.T. bildhafter Schritte hochinteressant/-spannend & transparent. So begeht dieser z.B. in Purgatory City, der 'Stadt des Fegefeuers', seinen ersten Mord, während Bennet dort seinen letzten Schusswechsel hat ... Die schauspielerischen Leistungen stehen dem Drehbuch allerdings in nichts nach: Volontès Darstellung von Fletcher, dessen Körper im gleichen Maße regeneriert wie seine moralische Haltung degeneriert, ist beeindruckend. Auch der Österreicher William Berger liefert eine bärenstarke Verkörperung des (real existierten) Pinkerton-Agenten Charlie Siringo ab. Milians ernster 'Beauregard' Bennet ist insgesamt unauffälliger und hat nichts mehr mit dem schlitzohrigen Habenichts Cuchillo des vorangegangenen Films gemein.

Ob ein gebildeter Intellekt einen Menschen zu noch größeren Perversionen befähigt als es ohnehin schon der Fall wäre, ist eine der diversen und interessanten Fragestellungen, die Faccia A Faccia aufwirft. Dass der Film dies ohne einen aufdringlichen, erhobenen Zeigefinger tut und zudem noch einfach klasse unterhält, ist eine beachtliche Kunst, die Sollima meisterhaft beherrscht.

Fletcher & Siringo"Wer ist gerecht?! Es gibt keine Gerechtigkeit! Das ist etwas, was Du erfindest, wenn Du die Macht hast, die Gewalt!"

Mittwoch, 8. August 2007

La Resa Dei Conti (DVD) | 4. August 2007

E·I — 1966 | Regie: Sergio Sollima (...)

La Resa Dei Conti Poster (E)In den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts erblicken drei Sergios in Rom das Licht der Welt, die ab der zweiten Hälfte der sechziger Jahre das Westerngenre quasi im Alleingang neu erfinden und mit ihren "Western all'Italiana" die meist unerreichten Prototypen einer ganzen Flut von Filmen darstellen — ohne 'Ausnahmen, die die Regel bestätigen' zu unterschlagen (Petroni, Parolini oder auch Castellari): die Rede ist von Leone, Corbucci und Sollima.
Deren staubig-verschwitzte Italowestern räumen gründlich auf mit den Mythen der Eroberung des amerikanischen Westens während des 19. Jahrhunderts und verwischen mit Brutalität und Zynismus die Grenzen zwischen "den Guten & den Bösen". Archetypische Charaktere, exzellente Drehbücher, eine einzigartige und innovative Kameraführung und nicht zuletzt mitreißende Filmmusik sind einige Punkte, die nicht nur dieses Genre revolutionierten und es bis heute unsterblich machen ...

Sergio Sollima (Jahrgang 1921) ist seit seiner Kindheit ein eifriger Kino- & Theaterbesucher. Im Alter von 19 tritt er dem Centro Sperimentale di Cinematografia bei, doch der Zweite Weltkrieg verhindert seinen Abschluss dort. Dem Wehrdienst kann er dank der Fürsprache des Direktors des Centros entgehen; seine ersten Meriten in der Filmbranche verdient er sich als Dokumentarfilmer für das Ministerium für Kriegspropaganda und als Autor bei dem von Vittorio Mussolini, dem Sohn des Duce, geleiteten Magazin Cinema, dessen Führungspersönlichkeiten größtenteils Antifaschischten und teilweise sogar Kommunisten sind — eine "typisch absurde italienische Besonderheit" wie Sollima selbst sagt. Diese Erfahrungen und die Tatsache, dass er noch zu Studienzeiten im Alter von 21 von seiner Freundin an das Regime verraten wird, prägen ihn nachhaltig und bilden die ideologische Basis bzw. Motivation für viele seiner Filme — auch und vor allem seiner Western.
Nach dem Krieg schreibt er erfolgreich Drehbücher für das Theater, so dass in der Folge auch Filmschaffende auf ihn aufmerksam werden. Sein Freund Sergio Leone stellt ihm schließlich dessen Produzenten Alberto Grimaldi vor, mit dem er dann (auch 1966) sein drittes & letztes Bond-Plagiat verwirklicht.

Ungleiches DuellNach dieser Agentenfilm-Serie ist es Grimaldi, der Sollima das Solinas-Drehbuch "Il Falco e la Preda" ("Der Falke und das Opfer"; vgl. das spanische Filmplakat) anbietet. Sollima arbeitet es nach seinen Vorstellungen um und La Resa Dei Conti (frei übersetzt: "Die Schlussrechnung"; deutscher Filmtitel: Der Gehetzte der Sierra Madre) wird der erste von drei aufeinanderfolgenden Sollima-Western.
Der alternde, stets als verlängerter Arm des Gesetzes agierende und geachtete Kopfgeldjäger Jonathan Corbett (Italowestern-Veteran Lee Van Cleef) lässt sich darin vor den Karren eines wohlhabenden Spekulanten spannen, der Corbett zu einem Senatorposten verhelfen will, damit dieser von höchster Stelle aus seine Eisenbahnbaupläne unterstützen kann. Corbett willigt im Glauben an die grundsätzlich gute Sache ein, soll allerdings vorher noch den Mexikaner Cuchillo 'Das Messer' Sanchez zur Strecke bringen, einen beschuldigten Vergewaltiger und Mörder einer Minderjährigen. Chuchillo (Tomas Milian) gelingt es im Verlaufe der Jagd ein ums andere Mal, Corbett zu entwischen bzw. ihn bei ihren diversen Begegnungen davon zu überzeugen, dass die Dinge anders liegen als sie scheinen ...

Der Film macht so viel Laune, dass ich ihn gleich drei Mal in Folge geguckt habe ... das Drehbuch lässt keine einzige Sekunde Langeweile aufkommen und ist genauso verschmitzt-intelligent & abwechslungsreich wie das von dem wirklich großartig aufspielenden Kubaner Milian verkörperte Schlitzohr Cuchillo. Milian, eigentlich aus dem "seriösen Fach" kommend, spielt hier seine zweite Italowestern-Rolle — viele sollten folgen. Sollima zeigt mit der episodenhaften Darstellung und den Ereignissen während der Hetzjagd sowie den Charakterentwicklungen seine Herkunft als Mann des Theaters und gleichzeitig sein Auge für Strukturen einer Gesellschaft und deren teilweise verschrobener Moral. Es ist einfach nur interessant zu beobachten, wie sich das Verhältnis zwischen Jäger & Gejagtem, zwischen Herrschenden & Beherrschten bis hin zum grandiosen Finale entwickelt und der einfache Cuchillo Corbett zu späten Einsichten verhilft — großes Kino!
Muss ich eigentlich noch erwähnen, dass Morricone dem Ganzen auch wieder magische musikalische Momente verleiht?!

Diese Kritik hier bezieht sich übrigens auf die ungeschnittene Fassung mit einer Lauflänge von 105 Minuten, doch dazu später mehr.

Milian|Van Cleef"An Ihrer Stelle würde ich sagen: Lassen wir den armen Hund laufen, er hat's schwer genug ..."
"Hm ... an Deiner Stelle würd' ich das auch sagen, das ist verständlich. Aber Du wirst doch nicht so einfältig sein zu glauben, dass ich Dich laufen lasse."

Mittwoch, 1. August 2007

Diabolik (DVD) | 27. Juli 2007

F·I — 1968 | Regie: Mario Bava (...)

Diabolik Poster (I)














If you didn't see him ... he's there.

Das Auge isst mit bei dem künstlerisch vielseitig begabten Mario Bava, der seine Filmkarriere als Kameramann beginnt und als Regisseur von Low-Budget-Horrorstreifen heutzutage fast schon folgerichtig zum kultigen 'Meister des Makaberen' avanciert ist (zugegebenermaßen nicht zwingend mein Lieblingsgenre — ich habe bisher auch nur sein 1960er Werk Die Stunde, wenn Dracula kommt auf ARTE sehen können).

Wie dem auch sei ... 1967 drückt ihm der italienische Produzentenmogul Dino De Laurentiis drei Millionen Dollar in die Hand, um im Zuge von Batman und James Bond den (bis heute) in Italien äußerst beliebten Comic Diabolik zu verfilmen. Der seit 1962 von einem Mailänder Schwesternpaar herausgebrachte 'Fumetti' beschreibt die Abenteuer des hedonistischen Meisterdiebs Diabolik, der von den Reichen nimmt, um es in erster Linie sich und seiner Geliebten Eva zu geben bzw. damit seinen schnieken Lebensstil zu finanzieren. Bava, gewohnt aus kleinen Budgets Großes zu zaubern, verwirklicht den Film für weniger als ein Sechstel der veranschlagten Summe, so dass De Laurentiis den Rest gleich in ein Sequel investieren will. Der Regisseur hat zum einen allerdings kein Interesse, da er lieber verantwortungsbefreiter "im Niedriglohnsektor" arbeitet, zum anderen hält sich der kommerzielle Erfolg an der Kinokasse in Grenzen, da das Ganze (auch vor dem Hintergrund der zeitgeschichtlichen Umstände wie z.B. europäischer Studentenrevolten) als Kitsch abgetan wird.

Bava Bravoura

Was aus damaliger Sicht nachvollziehbar ist, wird in der Retrospektive und einer vielleicht etwas verklärten Sichtweise auf die "Goldenen '60er" zum genauen Gegenteil: Bava brennt mit Diabolik ein Stil- & Farbenfeuerwerk ersten Ranges ab. Das Set- & Sounddesign (ersteres z.T. durch optische Effekte von Bava selbst genial verstärkt), die Kamerawinkel & -einstellungen, die Darstellung von Erotik [Marisa Mell ...] und (einigen) Gewaltszenen sowie die cartoonhaften Charaktere [Terry-Thomas vs. Michel Piccoli] machen diese Comicadaption bis dato zu einer der gelungensten überhaupt — allerdings weiß der Film neben diesen äußerlichen Kriterien (die wohl ausschlaggebend waren für die diabolische Verwurstung in Beastie Boys' "Body Movin'" Musikvideo) auch handlungs- & spannungstechnisch mit Bondesquem Charme zu überzeugen. Zum ultimativen Spaß wird es (einmal mehr) endgültig durch die swingend-exotische Filmmusik vom Meister aller Klassen Ennio Morricone (letztlich bin ich durch ihn und den gutsten Martini Steve auf diesen Film gestoßen [was übrigens auch für Grand Slam gilt]) ... und da es aus mehr oder weniger verständlichen Gründen (noch?) keine offizielle Veröffentlichung gibt (/geben kann), kann man sich den Soundtrack unter diesem Link runterladen. Abschließend mal ein dickes Lob an Paramount für eine herausragende DVD-Umsetzung!

... und wieder einmal gilt: Textlänge proportional zum Gefälligkeitsgrad des Films — Scheisendreck!